Wenn dieser Tage über zu viel Kommerz im Fußball diskutiert wird, gerät manchmal in Vergessenheit, wie viele Projekte für die Basis des Fußballs finanziert werden. Etwa die Fußball-Ferien-Freizeiten der DFB-Stiftung Egidius Braun. 750.000 Euro sind hierfür budgetiert. Auch diesen Sommer wieder werden 1.000 Jugendliche zu einwöchigen Freizeiten eingeladen. Alles inklusive. DFB.de-Redakteur Thomas Hackbarth war in Malente dabei und hat dort auch Willi Lemke getroffen.
Der Uwe Seeler Fußball Park liegt an einem dieser Orte, wo Deutschland zum Umfallen schön ist. Vom Zimmer aus blickt man auf den azurblauen Kellersee. Bis zur Ostseeküste sind es nur ein paar Autominuten, nach Kiel fährt man eine halbe Stunde. Die Sportschule Malente selbst verfügt über einen Kunst- und einen Naturrasen sowie eine große Mehrzweckhalle und erfüllt mühelos auch gehobene Fußballeransprüche. 2012 wurde die Sportschule für vier Millionen Euro renoviert und seitdem ist sie nach „Uns Uwe“ benannt und alles ist noch ein wenig schöner. Wenn dieser Tage manche kritisch hinterfragen, was denn der DFB und seine Landesverbände für die Basis eigentlich leisten, hier findet man eine Antwort.
In dieser Woche verbringen 36 Jungen und ihre Betreuer von drei hessischen Vereinen ihre Fußball-Ferienfreizeit in Malente. C-Jugendliche vom JFV Stadtallendorf, vom SV 1920 Altenburg und von der JSG Allendorf/Treis. Drei von insgesamt 80 Vereinen, 36 von rund 1.000 Jugendlichen im Alter zwischen 13 und 15 Jahren: Die Fußball-Ferien-Freizeiten sind ein riesiges Projekt.
Alle 1.000 Jugendliche lädt die DFB-Stiftung Egidius Braun ein und alles wird bezahlt. Im 17. Jahr nun laufen die Freizeiten schon.
Reinhard Grindel: „Freizeiten sind ein großes Stück Anerkennungskultur!“
DFB-Schatzmeister Dr. Stephan Osnabrügge sagt über das Budget: „Wir zeichnen damit Fußballvereine für ihr vielfältiges ehrenamtliches Bemühen aus. Die Vereine werden in ihrer Heimatregion abgeholt, zu den Freizeitstandorten transferiert, dort untergebracht, verpflegt und betreut. Dafür stehen jedes Jahr 750.000 Euro im Haushalt zur Verfügung.“ Vor knapp zwei Jahren machte sich Reinhard Grindel, damals selbst noch Schatzmeister, ein Bild vom Sinn und Zweck. „Die Freizeiten“, sagte der heutige DFB-Präsident, „sind ein großes Stück Anerkennungskultur. Für die Vereine bieten sie die Chance, dass Mannschaften zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammenwachsen.“ Reinhard Grindel verbrachte damals selbst zwei Tage in Malente.
Wegen des Geistes ist der Ort natürlich unauslöschlich Teil deutscher Fußballhistorie. Der Geist von Malente entstand nach einem verlorenen Gruppenspiel gegen die DDR, in einer Nacht voller Gespräche. Der Geist von Malente, der die deutsche Mannschaft bei der WM 1974 inspirierte und beflügelte und antrieb. Bis zum Titelgewinn gegen Johan Cruyff und sehr starke Holländer. Rainer Bonhof flankte von rechts, für einen Moment sah es so aus, als ob Gerd Müller den Ball verstolpere, dann stand es 2:1 für Deutschland. Nach der Pause hielt Sepp Maier einfach alles. Bonhof, Müller, Maier. Rainer, Gerd und Sepp. Heute spielen Justin, Dennis und Noah Fußball hier in Malente.
Was versprechen sich diese Jungs von der Freizeit der DFB-Stiftung? Dennis, mit seinen Sommersprossen, der trotz seiner erst 13 Jahre unglaublich durchdacht spricht und außerdem Fan von Thomas Müller ist („weil der so vielseitig ist“), sagt: „Wenn wir irgendwann mal in eine Auswahlmannschaft kommen, ist diese Freizeit einfach ein gutes Training, wir lernen, wie man sich in eine neue Gruppe einfinden muss.“ Auch Justin, ein großer kräftiger Junge mit modischer Frisur, ist begeisterter Fußballer. „Klar hoffen wir alle darauf, uns hier zu verbessern, dass wir hier etwas dazulernen. Vielleicht auch außerhalb des Platzes. Ich würde gerne lernen, wie man mehr Gemüse isst“. Justins Vorbild ist Lionel Messi – „wegen seinem Antritt und seiner engen Ballführung.“ Auch Noah will vor allem Spaß haben und dazu noch ein besserer Fußballer werden. Er kommt hochmotiviert, weil „ich alle Spiele des Confed Cup gesehen habe“. Noah ist Fan von Joshua Kimmich. Alle drei kommen sie von hessischen Amateurvereinen und alle drei sind sie Bayern-Fans. So ist das heute.
Als sie am Vortag in Malente ankamen, nach einer ziemlich langen Busfahrt, haben sie erstmal ein Turnier mit gemischten Mannschaften gespielt. Paul Schomann, der erste Trainer der deutschen Futsal-Nationalmannschaft, leitete eine Trainingseinheit. Besuche im Freizeitpark und – zwecks Teambuilding – ein Tag im Wald sind Teil des abwechslungsreichen Programms der Ferienfreizeit.
Klaus Heise ist der Chef-Planer. Der ehemalige Polizist organisiert alle Ferien-Freizeiten an den sechs Standorten einschließlich der An- und Abreise der 80 Vereine. Mit seinen 66 Jahren ist Heise natürlich ‚old school‘. Alle Listen und Pläne aktualisiert er zwar im Computer, aber die Seiten druckt er alle aus. Heise hat drei Aktenorder mit nach Malente gebracht. Früher leitete er nur zwei Freizeiten selbst, nahm dafür extra Urlaub, jetzt leitet er drei. „Die Planung ist Arbeit, das mit den Jugendlichen ist Erholung. Da freue ich mich das ganze Jahr drauf.“ Wie nicht anders zu erwarten, ist die Nachfrage gewaltig. Das Vorschlagsrecht haben die 21 DFB-Landesverbände. In diesem Jahr verloste man vier Vereinsfreizeiten über das Amateurfußball-Portal www.fussball.de. Binnen weniger Tage gingen mehr als 100 Bewerbungen ein. Heise erzählt: „Die Jungen kommen doch meistens aus ganz kleinen Vereinen. Die steigen mit einer riesigen Freude aus dem Bus aus. Egidius Braun hatte hier eine tolle Idee. Fußball ist eben wirklich mehr als ein 1:0.“
Willi Lemke berichtet aus seinen früheren Tätigkeiten
Willi Lemke ist zusammen mit DFB-Vorstandsmitglied Hans-Ludwig Meyer nach Malente gekommen, um zu den 36 jungen Fußballern zu sprechen. Mit ihren 13 Jahren kennen sie ihn natürlich nicht, aber als sie hören, dass Werder Bremen in Lemkes Zeit zweimal Deutscher Meister wurde, dreimal den Pokal und einmal den Europapokal gewann, sind sie beeindruckt und spitzen die Ohren. Heute engagiert sich der 70-Jährige unter anderem im Kuratorium der DFB-Stiftung Egidius Braun. Werders langjähriger Manager, der nach seiner Zeit im Profifußball erst im Bremer Senat und später für UNO-Generalsekretär Ban-Ki moon arbeitete, sagt den Teenagern: „Bitte vernachlässigt die Schule nicht“ und dass „es völlig falsch wäre, in eurem Alter alles auf den Fußball zu setzen“. Den jungen Fußballern rät Lemke: „Versucht die Stärken eurer Mitspieler herauszubringen, denn so werdet ihr alle stärker.“ Er erzählt ihnen, wie sehr ihn die Nationalmannschaft erfreut hat: „Wir sind wieder die Nummer eins der Welt.“ Er erzählt ihnen, dass er als Beauftragter der Vereinten Nationen 115 Länder besuchte und heute sagen kann: „Wir dürfen in einem unheimlich tollen Land leben.“ Und als ihn dann einer der Jungs nach seinen Hobbies fragt, antwortet Lemke: „Ich war fast zwei Jahrzehnte Manager bei Werder. Sonntags um 12 Uhr beendete ich meine letzte Telefonkonferenz, dann war Wochenende bis Montag um 8 Uhr.“ Viel Zeit für Hobbys, meint Lemke, sei da nicht geblieben.
Das Niveau der Ferienfreizeiten steigt mit jedem Jahr. „Seit diesem Jahr sind wir ausschließlich in Sportschulen der DFB-Landesverbände zu Gast. Neben Malente sind die Vereine in Edenkoben, Grünberg, Hennef, Leipzig und Schöneck untergebracht“, sagt Stiftungsgeschäftsführer Tobias Wrzesinski. „Wir achten auf die soziale Komponente und versuchen auch gezielt Jugendliche dabeizuhaben, die mit ihren Familien sonst nicht in den Urlaub fahren. Wir wollen zudem für ehrenamtliche Tätigkeiten im Fußball begeistern. Aber vor allem wollen wir, dass die Kinder und Jugendlichen jede Menge Spaß bei uns haben. Wenn man bedenkt, dass viele der 70 Teamer ehemalige Freizeitteilnehmer sind, machen wir so viel scheinbar nicht falsch.“
Noch bis zum 1. September stehen zahlreiche Fußball-Ferienfreizeiten auf dem Kalender der Egidius-Braun-Stiftung. Und dann beginnt für Klaus Heise schon die Planung für 2018. Dann werden wieder 1.000 Jugendliche zu einer Fußball-Ferienfreizeit eingeladen. Bestimmt auch wieder ins schöne Malente.
Text: DFB-Stiftung Egidius Braun
Fotos: Carsten Kobow/DFB